Eine halbe Milliarde Euro Kindergeld ins Ausland inklusive Algerien, Marokko und Tunesien

Jetzt auch auf Ukrainisch und Russisch: Kindergeldantrag Online

von Alexander Wallasch (Kommentare: 2)

Eine Ungleichbehandlung, wie man sie schon aus dem Antragwesen für Arbeitslosengeld II (Hartz IV) kennt. Der Deutsche, der schon länger hier lebt, ist auch beim Kindergeld der Angeschmierte.© Quelle: Pixabay / trilemedia, Bildmontage Alexander Wallasch

Laut Statistik der Familienkasse bekamen 2018 rund eine Viertelmillion Kinder von EU-Ausländern, die nicht in Deutschland leben, Kindergeld. Die Kosten beliefen sich dabei auf 402 Millionen Euro.

Aber Kindergeld für im Ausland lebende Kinder kommt nicht nur EU-Bürgern zugute. Die Arbeitsagentur berichtet dazu auf ihrer Informationsseite im Internet: Kindergeld für ausländische Staatsangehörige bekommen auch Ausländer aus Algerien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Marokko, Montenegro, Serbien, Tunesien oder der Türkei.

Weiteres Kindergeld wird bezahlt für Kinder im Ausland, wenn die Eltern „zu den unanfechtbar anerkannten Flüchtlingen und Asylberechtigten“ gehören. Das allerdings ist spätestens unter der Ampelregierung längst kein Problem mehr. Grundvoraussetzung für alle: Ein Elternteil muss in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein oder Arbeitslosengeld beziehungsweise Krankengeld beziehen.

Die Bundesagentur für Arbeit hat 2018 also 402 Millionen Euro Kindergeld ins Ausland überwiesen (im Jahr 2017 waren es 343 Millionen Euro). Damit haben sich die Kindergeldzahlungen ins Ausland seit 2010 (35,8 Millionen Euro) mehr als verzehnfacht. Eine Art neues Geschäftsmodell?

Schaut man weiter zurück, dann fallen die rasanten Sprünge bei der Anzahl der Kindergeldempfänger im Ausland auf. Waren es 2010 noch 61.615 Kinder, sind es 2017 bereits fast viermal so viel (215.499 Kinder).

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Noch Anfang 2017 hatte der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem er forderte, das Kindergeld für EU-Ausländer müsse an das Niveau des Heimatlandes angepasst werden, wenn ihre Kinder dort leben.

Dies stieß jedoch in der EU-Kommission auf Widerstand. Schäuble hatte Einsparungen von etwa 160 Millionen Euro errechnet. Schäubles Vorhaben scheiterte am EU-Recht.

Sigmar Gabriel, damals noch SPD-Chef, sprang Schäuble parteiübergreifend zur Seite mit einer wilden Krimigeschichte:

Der Sozialdemokrat verwies auf die Machenschaften von Schlepperbanden. Diese würden Schrottimmobilien in deutschen Städten aufkaufen und an EU-Bürger vermieten – vor allem an Rumänen und Bulgaren. Das Kindergeld für nicht mitgenommene Kinder werde dann von Menschenhändlern kassiert.

Solche Interventionen deutscher Politiker muten heute nostalgisch an. Nein, sie waren es schon unter dem Eindruck der illegalen Massenzuwanderung der Merkel-Regierung und wären heute unter der Zuwanderungseuphorie der Ampelregierung als „Nazi“ gebrandmarkt worden.

Interessant ist in dem Zusammenhang noch etwas anderes: Eine Ungleichbehandlung, wie man sie schon aus dem Antragwesen für Arbeitslosengeld II (Hartz IV) kennt. Der Deutsche, der schon länger hier lebt, ist auch beim Kindergeld der Angeschmierte.

Warum? Weil er in Deutschland samt seiner Familie vielfach bürokratisch in Erscheinung tritt, kann er entsprechend durchleuchtet und mit diversen Anträgen geflutet werden, während sich demgegenüber ein Kindergeldantrag für Kinder im Ausland mit solchen Antragsmarathons auffällig zurückhält.

Das geht in Deutschland sogar so weit, dass ein junger Mann mit Kindergeldanspruch, der selbst Hartz IV bekommt, aber nicht genug Bewerbungen schreibt, auch Probleme mit dem Kindergeld bekommen kann, wie ein Fall von Anfang 2020 beispielhaft vorführt:

Hier wurde das Kindergeld zunächst – wie es üblich ist – auf Hartz IV angerechnet. Dann wurde das Kindergeld zurückgefordert, weil der junge Mann nicht genügend oder keine Bewerbungen geschrieben hatte. Allerdings bekommt er es auch nicht rückwirkend vom Jobcenter, die sein Kindergeld ja für Hartz IV angerechnet haben. Die Kindergeldrückforderung wird hier zu einer Art Strafzahlung.

Ein Fall, wie er bei im Ausland lebenden Kindergeldbezugsberechtigten nicht vorkommen kann, die deutsche Bürokratie hat hier schlicht keinen Zugang/ Zugriff.

Oder ein weiterer Fall: Die Eltern eines zwanzigjährigen Deutschen sollen das für ihren Sohn erhaltene Kindergeld für einen bestimmten Zeitraum zurückbezahlen. Die Arbeitsagentur will hier erkannt haben, dass der Junge sich nicht rechtzeitig nach dem Abitur um einen Studienplatz bemüht hätte. Die Corona-Einschränkungen in dieser Zeit interessieren das Amt hier zunächst nicht.

Und natürlich kann es auch hier sein, dass der junge Mann sich ein bisschen auf die faule Haut gelegt hat zwischen Abitur und Studium. Aber hier entsteht automatisch eine Verletzung der Gleichbehandlung, wenn solche Nachverfolgungen bei Kindern im Ausland überhaupt nicht möglich sind.

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Parallel dazu liest man bei der Arbeitsagentur Online, dass auch aus der Ukraine geflüchtete Eltern Kindergeld beantragen können. Dazu schreibt die Arbeitsagentur in einem farblich hinterlegten Info-Kasten:

„Hinweis: Vereinfachte Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld - Seit dem 1. Juni 2022 ist für Kindergeld keine Erwerbstätigkeit mehr erforderlich. Antragsstellerinnen und Antragssteller müssen keine entsprechenden Nachweise mehr einreichen.“

Diese Information wird auch in Ukrainisch und Russisch zur Verfügung gestellt.

Nochmal: Es geht hier nicht darum, Sozialneid zu schüren. Es muss aber darum gehen, den Staat aufzufordern, eine Gleichbehandlung zu garantieren. Also dort Leistungen nicht auszuzahlen, wo er keine entsprechenden Informationen erhalten kann (aus dem Ausland) oder eben im Inland die Anträge/Bewilligungen für Deutsche entsprechend zu vereinfachen.

Während der Pandemie gab es ja bereits vereinfachte Anträge.

Anderenfalls nämlich entsteht der Eindruck, dass Deutsche hier insbesondere aufgrund ihrer Herkunft und Bürokratie-Geschichte im Nachteil sind.

Deutlich muss in der Sache betont werden, dass es sich beim Kindergeld um einen Familienleistungsausgleich handelt, welcher jenen Mehraufwand ausgleichen soll, der Familien für Unterhalt und Ausbildung der Kinder entsteht.

Wenn aber jährlich eine halbe Milliarde Euro ins Ausland für Kinder von in Deutschland sich aufhaltenden Elternteilen überwiesen wird, dann ist diese Grundidee vom Prinzip her möglicherweise schon kontaminiert.

Dann müssen solche Leistungen auf besondere Weise auf den Prüfstein gestellt werden. Die beliebte Ausrede aus der Merkel-Ära - dass wäre eben EU-Recht – darf hier als Rechtfertigung für eine fehlende Gleichbehandlung nicht herhalten. Dann muss eben von deutscher Seite besonders darauf eingewirkt werden, dieses EU-Recht anzupassen. Insbesondere dann, wenn es zu Lasten des deutschen Steuerzahlers geht.

Dankenswerterweise findet sich noch ein Gesprächspartner bei der Familienkasse der Arbeitsagentur, der in einem längeren Informationsgespräch mit alexander-wallasch.de unter anderem darüber aufklärt, dass es aktuell keine Kindergeldzahlungen für Kinder gäbe, die sich noch in der Ukraine aufhalten.

Auch bei der Agentur ist durchaus bekannt, erfahren wir, dass die deutsche Bürokratie ein ziemlicher Koloss ist. Es gebe zwar schon viele virtuelle Angebote, Anträge, die man Online ausfüllen kann, aber dann müsse man diese doch wieder ausdrucken und händisch unterzeichnen.

Das Amt arbeitet jetzt daran, solche unnötigen Erschwernisse zu beheben. Spätestens da allerdings fragt man sich wieder, wem das am Ende nutzt. Wenn wir die Arbeitsagentur und Kindergeldkasse für so viele Nationen geworden sind, dann mag die eine oder andere Hürde durchaus wieder Sinn machen. Aber wenn es darum geht, die Anträge zu vereinfachen für Bedürftige, möchte man es so einfach und schnell wie möglich gestalten – eine Zwickmühle. Zumal es hier um das Wohlergehen von Kindern geht.

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